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Nach der Corona-Pandemie: Zurück ins Geschäft

Pressemeldung vom 08.07.2021

In einem Interview mit den Wirtschaftlichen Nachrichten/ IHK Aachen erzählt Dr. Christian Coppeneur-Gülz, Geschäftsführer der WWM GmbH & Co. KG, über das Messegeschäft während der Corona-Pandemie und welche Lösungen die WWM in dieser Zeit auf den Markt gebracht hat. Quelle: www.aachen.ihk.de

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Und plötzlich waren Messen verboten: Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Veranstaltungsbranche ausgewirkt? Ein Besuch bei Dr. Christian Coppeneur-Gülz, Geschäftsführer der WWM GmbH & Co. KG mit Sitz in Monschau.

Wenn virtuelle Welten entstehen, dann passiert das genau hier: in einer alten Lagerhalle in Imgenbroich, in der alles ein wenig an den Google-Office-Style erinnert. Kabel hängen von der Decke, dazu ein paar große, schwarze Leuchten, auf den weißen Tischen stehen jeweils mehrere Bildschirme. Nebenan baut ein 3-D-Artist gerade eine Raketenstation nach, die in Kürze ein dreitägiges Event beherbergen soll – natürlich alles digital. Auch Cornelsen erhält einen aufwändig gestalteten, virtuellen Markenraum in Backstein-Optik, in dem regelmäßig bis zu 2.000 Lehrer in Webinaren fortgebildet werden. „An bestimmten Event-Tagen kommen wir auf bis zu 30.000 Stunden Content-Distribution“, sagt Dr. Christian Coppeneur-Gülz, Geschäftsführer der WWM GmbH & Co. KG

2005 hat der promovierte Wirtschaftsinformatiker – der auch Mitglied der IHK-Vollversammlung ist – das Messebauunternehmen von seinem Vater übernommen, 2016 eröffnete er das „WWM-Lab“, Anfang 2019 gründete er die ExpoCloud GmbH. Coppeneur-Gülz‘ Idee: mit einem kleinen Team von zehn Mitarbeitern das alte Geschäftsmodell der WWM anzugreifen und komplett neu zu denken. Jetzt hat das „Lab“ den Mittelständler erfolgreich durch die Krise getragen: „Das war in der Pandemie unser Turbo“, betont der 40-Jährige auf dem Weg durch die immer noch ruhende Großdruckerei, vorbei an den vielen Palettenstellplätzen für das Messeequipment, hin zu den Meetingräumen, die bei WWM „Lagerfeld“, „Warhol“, „La Chapelle“ oder „Newton“ heißen. Im Gespräch mit den Wirtschaftlichen Nachrichten erzählt Coppeneur-Gülz von schlaflosen Nächten, innovativen Messe-Formaten und dem Wert persönlicher Begegnungen.

Wirtschaftliche Nachrichten: Wie haben Sie die Pandemie-Monate erlebt? Im Messebau ist das Geschäft ja gleich zu Beginn komplett eingebrochen.

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Im März 2020 wurden die Messen untersagt – das ist wie ein Berufsverbot. Man kann seinen Job nicht mehr ausüben. Das digitale Business machte bei uns damals zehn Prozent des Umsatzes aus. Das heißt: Wenn rund 90 Prozent von einem auf den anderen Tag wegfallen, hat man betriebswirtschaftlich ein Problem.

Wirtschaftliche Nachrichten: Wie ging es mit der WWM weiter?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Was sofort da war, war das Kurzarbeitsprogramm: Das mussten alle Unternehmen in der Branche – auch die WWM – in Anspruch nehmen. Ohne das Programm wäre es überhaupt nicht gegangen, aber es hilft auch nur begrenzt. In unserem Logistic-Hub in Alsdorf zum Beispiel beschäftigen wir knapp 30 Mitarbeiter, die plötzlich nichts mehr zu tun hatten. Aber was alles an Fixkosten bei einem Unternehmen dieser Größe weiterläuft, das ist trotzdem noch eine ganze Menge. Die Monate März, April und Mai waren sehr hart. Dann kamen die ersten Überbrückungshilfen: Diese waren einfach strukturiert und haben uns geholfen. Man hört zwar immer am Markt, dass die Hilfen nicht ankamen – das kann ich aber nicht bestätigen. Wir haben die Hilfen beantragt und erhalten.

Wirtschaftliche Nachrichten: Wie war die Stimmung im Unternehmen?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Es gab natürlich Diskussionen, wann es wieder losgeht. Ich habe tatsächlich im März 2020 noch zu unseren Leuten gesagt: Das ist eine Grippe, im Herbst ist wieder alles da – macht euch keinen Kopf. Aber dann realisiert man: Die Normalität kehrt nicht zurück, wir kommen so schnell nicht zurück ins Business.

Wirtschaftliche Nachrichten: Wann flammte das Interesse an Ihren digitalen Lösungen auf?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Ab Mai 2020 gingen die Anfragen rapide hoch – wir hatten tatsächlich noch nie so viele Anfragen für unsere digitalen Produkte und Leistungen wie im Frühjahr 2020. Es hat nur keiner bestellt.

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 Warum nicht?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Die Unternehmen haben festgestellt: Live-Kommunikation geht jetzt nicht, wir müssen auf digital umstellen – aber wie geht das überhaupt? Im April und Mai habe ich jeden Tag zwölf Stunden gearbeitet und telefoniert – von einem Call zum anderen, von Asien bis nach Amerika, um den Menschen zu erklären, wie es funktioniert. Unser Glück war, dass wir die Produkte schon entwickelt hatten und wir bereits am Markt waren. Bestellt hat aber keiner. Die Hoffnung war wohl immer noch: Wir fahren im Juli und August in den Urlaub und wenn wir zurückkommen, ist die alte Welt wieder da. Weil das aber nicht der Fall war, hat es dann im September Bestellungen gehagelt!

Wirtschaftliche Nachrichten: Wie gelang es dem Unternehmen sich auf den großen Ansturm im Digitalen vorzubereiten?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Wir haben geschaut: Was haben wir für Ressourcen im Unternehmen? Einige unserer heutigen 3D-Artists haben vorher unsere physischen Messestände designed – eine anspruchsvolle Aufgabe! Sie sind aus dem Messebau und -design in die neue Unit gewechselt und erschaffen jetzt dort die virtuellen Welten. Die ExpoCloud hat ebenfalls Leute abgegeben, damit wir den Knowhow Transfer schnell hinbekommen. Bereits im September konnten wir die Kurzarbeit bei bestimmten Mitarbeitergruppen reduzieren und haben die Gehälter aller Mitarbeiter in Kurzarbeit auf hundert Prozent aufgestockt – das war ein ganz, ganz wichtiger Schritt. Denn, was wir alle übersehen: Es gibt Mitarbeiter, zum Beispiel Lageristen, die jetzt schon weit über einem Jahr in Kurzarbeit sind. Das ist für die Mitarbeiter nicht nur psychisch ein Problem, sondern auch finanziell. Auch wir
hatten im Frühjahr Kündigungen im Unternehmen. Mitarbeiter, die gesagt haben: Es tut uns leid, wir wissen nicht, was passiert, und
wir müssen eine Familie ernähren. Seit September haben wir nun so gut wie keine Fluktuation mehr im Unternehmen.

Wirtschaftliche Nachrichten: Nach dem Schock im März 2020: Wann kam das Gefühl zurück, dass die Welt – zumindest betriebswirtschaftlich betrachtet – wieder in Ordnung ist?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Gegen Ende des Jahres, an Weihnachten, wussten wir: Egal, was jetzt passiert, wir sind zurück im Geschäft – trotz der laufenden Fixkosten im Bereich des klassischen Messebaus. Wir haben gemerkt, durch das Digitale gehen wir langfristig sogar stärker aus der Krise heraus.

Wirtschaftliche Nachrichten: Hat die Pandemie insgesamt zu einer Digitalisierung in der Branche geführt?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Die Pandemie hat nicht zur Digitalisierung geführt, sondern sie hat sie beschleunigt. Die Digitalisierung war ja da. Das lässt sich auf viele Lebensbereiche übertragen: Ohne die Pandemie hätte man nie gefragt, ob wir Schüler online unterrichten können oder ob Mitarbeiter komplett im Home-Office arbeiten können. Das hätte man einfach nicht gemacht. Aber wir sehen ja, dass es möglich ist. Wir bieten den Kunden unsere digitalen Lösungen in der ExpoCloud schon seit zwei Jahren an, aber man wollte weiterhin auf die reale, physische Messe setzen, die ich auch nicht infrage stelle. Die ist sinnvoll. Man war noch nicht bereit – keiner wollte es riskieren, ins Digitale überzugehen.

Wirtschaftliche Nachrichten: Was wird nach der Krise bleiben? Die Schüler kehren in die Schulen zurück, aber die Messestände bleiben in der virtuellen Welt?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Wir glauben, dass das Digitale zum Ende der Krise bei uns mehr als 30 Prozent ausmachen wird. Die physische Messe wird nicht verschwinden. Wir hätten dieses Interview auch per Teams machen können – aber es geht dann viel verloren. Aber: Die Messe wird sich verändern. Deutschland steht mit seinen großen Messeflächen für die IAA, für die Hannover Messe. Aber dieses Konzept wird zurückgehen, stattdessen werden wir zu einer – wie ich es nenne – „Trilogie“ kommen, einem Kongress-Format. Dort gibt es Vorträge, das heißt ich kann mich fortbilden, es gibt eine begleitende Ausstellung mit kleinen Messeständen und ich habe einen Bereich im Kongresshotel, in dem ich Kontakte knüpfen kann. Erfolgreiche Events – und die Messe ist ja eine Form von Event – haben genau diese Trilogie aus „Education“, „Exhibition“ und „Networking“. Wir werden also sehen, dass die klassischen Messen kleiner werden. Und damit spielt die Entwicklung genau in den Bereich der WWM hinein – wir haben nie 10.000 Quadratmeter Stände gemacht. Wir fühlen uns sehr wohl in dem Bereich unter 500 Quadratmetern, das ist genau unsere Welt. Und da wird es – unserer Meinung nach – hingehen.

Wirtschaftliche Nachrichten: Was fehlt denn, wenn das Messegeschäft nur rein digital läuft? Die persönliche Begegnung?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Einige Termine, für die wir früher gereist sind, machen wir heute per MS-Teams. Und das ist gar nicht mal schlechter, das ist gut. Die Konzerne werden nicht mehr sagen, für einen einstündigen Termin fährst du jetzt nach Hamburg, am besten noch mit Übernachtung, und am nächsten Tag fährst du wieder zurück. Wenn aber der permanente, persönliche Austausch, der so wichtig ist, nicht mehr stattfindet, dann suchen wir Events, wo wir uns treffen können. Und darum glauben wir, dass die Live-Kommunikation zurückkommen muss, denn wir wollen uns ja sehen! Wir wollen miteinander reden, etwas trinken, netzwerken. Deswegen bin ich überzeugt, dass das zurückkommt, und ich glaube sogar, dass wir in den kleinen Kongress-Formaten ein Wachstum erleben werden. Zum einen werden sich die großen IAA-Themen runter in dieses Format drücken und Außendienst-Kundenbesuche, um ein Beispiel zu nennen, drücken sich gewissermaßen von unten hoch in diesen Bereich. Wichtig ist, zu verstehen, dass durch die Krise keine technologische Disruption von Zustand A zu Zustand B stattgefunden hat, wie etwa – stark vereinfacht – von der Kutsche zum Auto. Es ist vielmehr so: Zustand A wurde verboten, also ging nur noch B, obwohl B nicht besser, sondern nur anders ist als A. Und irgendwann kommt Zustand A zurück, aber B bleibt, weil es auch Vorteile und Stärken hat. Ich glaube, dass man künftig auf beiden Spielfeldern spielen muss – man muss das „Reale“ und das „Virtuelle“ können. Keines wird verschwinden.

Wirtschaftliche Nachrichten: Im Messebau gibt es lange Vorlaufzeiten: Ein Messestand wird häufig schon beauftragt, sobald die aktuelle Messe vorbei ist. Wie kann der Start gelingen?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Die Aktion „Alarmstufe Rot“, die durch die Medien ging, hat gezeigt, dass die Veranstaltungswirtschaft der sechstgrößte Wirtschaftszweig Deutschlands ist – mit 130 Milliarden Euro Umsatz und über einer Million Beschäftigten. Das Schlimme ist, dass diese Branche die erste war, die schließen musste, und sie wird auch die letzte sein, die aus dieser Phase wieder herausgeht. Denn, genau wie Sie sagen, eine Messe, eine IAA, hat zwölf Monate Vorlauf, das heißt zwölf Monate vorher beauftrage ich und dann wird es ausgeführt. Wenn der Kunde keine Sicherheit hat, dass die Messe stattfindet, wird er sie nicht beauftragen. Wir hoffen aber, dass jetzt im Herbst die ersten Testballons stattfinden, damit die großen Auftraggeber sagen, ich riskiere das. Es muss das Signal draußen geben: Es gibt eine Messe, die ist geplant worden und die ist durchgeführt worden! Wir kennen jetzt seit einem Jahr nur: „wurde geplant und nicht durchgeführt“. Jetzt brauchen wir „geplant und durchgeführt“, damit der Markt 2022 wieder normal anläuft. Die juristische Situation – im März, April, Mai 2020 habe ich mich fast ausschließlich mit diesen Themen beschäftigen müssen – war ja folgende: Wenn ein Kunde einen Messestand über eine halbe Million bestellt, und der Veranstalter sagt, die Messe kann nicht stattfinden, tritt nicht der Tatbestand der höheren Gewalt ein. Dafür muss es eine behördliche Absage der Messe geben – die kam aber erst im Mai. Das war für die Aussteller, Veranstalter und Messebauer ein Dilemma. Jetzt im Herbst dürfen Messen wieder stattfinden – aber auch hier muss es aus juristischer Sicht einen Verantwortlichen geben, wenn sie dann doch nicht stattfinden können.

Wirtschaftliche Nachrichten: Gab es in den Pandemie-Monaten einen Auftrag, der besonders schön oder besonders spannend war?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Das ist schwer zu sagen, denn in meiner Brust schlagen zwei Herzen: ein reales und ein digitales. Besonders gefreut hat uns, dass wir zum Jahreswechsel im konventionellen Messebau unseren größten Kunden überhaupt gewonnen haben. Leider können wir aktuell noch nichts für ihn machen, aber das wird kommen. Im digitalen Bereich hat sich ein international agierendes Pharmaunternehmen, das unsere digitale Lösung seit 2020 nutzt, nun entschieden, diese Lösung global auszurollen. Das ist ein wenig wie ein Ritterschlag.

Wirtschaftliche Nachrichten: Das Digitale wird nach der Krise mehr als 30 Prozent Ihres Geschäfts ausmachen, die alte Welt kommt auch zurück. Mit welchem Wachstum rechnen Sie in 2022?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Wenn das alte Geschäft im nächsten Jahr zurückkommt, rechnen wir mit einem Unternehmenswachstum von 20 bis 30 Prozent. Die Vorfreude fängt jetzt schon an – das wird eine coole Nummer! Wobei es das Unternehmen auch stressen wird – knapp 20 Prozent der Mitarbeiter haben wir ja in die digitalen Bereiche geholt. Wir haben schon mal vorgefühlt, ob die Mitarbeiter zurück in den alten, analogen Bereich gehen möchten, wenn die Krise vorbei ist, aber die sagen: „Muss ich?“ Sie fühlen sich wohl in dem Bereich und wollen bleiben. Wir müssen also extremst schnell skalieren und schauen, wo wir die Ressourcen herbekommen. Wir haben nun viele offene Vollzeit- und Ausbildungsstellen im Bereich Webdesign, Mediengestaltung und Produktdesign für die Standorte Monschau und Alsdorf ausgeschrieben, die müssen wir jetzt auch besetzen. Daher sind wir froh, wenn das Messegeschäft im Herbst zunächst langsam anläuft.

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Wirtschaftliche Nachrichten: 2020 war ein Wechselbad der Gefühle – wie haben Sie das persönlich verkraftet?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: In den ersten Wochen und Monaten habe ich sehr schlecht geschlafen. Aber man ist ja immer noch Unternehmer und muss die Menschen motivieren. Das ist die Herausforderung: dass man in der ersten Zeit nach Hause geht und heulen könnte und am nächsten Tag wieder hier steht, mit einem Lächeln im Gesicht, und sagt, dass es bald wieder losgeht. Dass wieder etwas passiert! Und man diese Gewissheit eigentlich gar nicht hat. Was mich aber selbst unheimlich stark motiviert hat, ist, dass die Ideen, die wir hatten und die vorher keiner haben wollte, jetzt funktionieren – das ist natürlich extrem befriedigend. Aber vor allem, dass wir so viele intelligente, leistungsfähige Menschen im Unternehmen haben, die umdenken können, die selbst super motiviert und total offen sind. Die Krise hat uns gezeigt: Wir sind eins der agilsten Unternehmen in der Branche – und zwar genau in dem Sinne, wie ich mir das immer vorgestellt und gewünscht habe.

Wirtschaftliche Nachrichten: Einige Unternehmen der Branche sind sicherlich auf der Strecke geblieben...

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: In einer meiner Vorlesungen an der Uni habe ich gesagt: Wenn ein Markt sich verändert, wird es immer Gewinner und Verlierer geben, in einem sehr, sehr schnellen Wechsel. Das ist total locker, wenn man den Studierenden erklärt: Veränderung ist eine Chance! Aber als ich im April dort stand, mit dem Rücken an der Wand, war das gar nicht mehr so einfach. Aber im Grunde ist genau das passiert: Wer mit den aktuellen Anforderungen geht, kann in so einer Situation viel bewegen. Das Traurige ist, dass viele großartige und kompetente Unternehmen in der Branche gar nicht so schnell auf digitale Lösungen wechseln konnten oder nicht genug Liquidität hatten, um auf die Überbrückungshilfen zu warten. Da verschwinden einige Player am Markt – und nicht unbedingt immer die schlechten.

Wirtschaftliche Nachrichten: Sie haben 2016 ein „Lab“ gegründet, das die Aufgabe hatte, das Geschäftsmodell neu zu denken. Leidet der Innovationsprozess unter dem Druck, jetzt profitabel sein zu müssen?

Dr. Christian Coppeneur-Gülz: Bei uns gilt: „Always challenge the old ways.“ Das ist ein klassisches Thema dieser Kultur. Als wir das „WWM-Lab“ und die ExpoCloud gegründet haben, haben wir den Leuten gesagt, dass sie nicht profitabel sein müssen. Das ist in der freien Wirtschaft natürlich mutig, aber die WWM war stark genug, dass wir uns so eine kleine Unit erlauben konnten. Das heißt aber übrigens nicht, dass die Menschen dann weniger produktiv sind. Aber genau diese Freiheit braucht es, um bestehende Regeln oder Gewohnheiten einer Branche digital anzugreifen. Von einem Druck, dass es jetzt funktionieren muss, würde ich nicht sprechen – es funktionierte ja schon. Vielmehr haben die Leute jetzt gesehen, dass das nicht nur Spielerei war, was wir entwickelt haben, sondern dass es Kunden gibt, die dafür Geld zahlen. Jetzt kommt natürlich irgendwann die Zeit, dass wir ein zweites Lab entwickeln müssten – denn die Ursprungsidee, Dinge anzugreifen und neu zu denken, ist Realität geworden. Das Lab ist jetzt operativ, Teil der Organisation und entwickelt Produkte, die gekauft werden. Es gibt doch dieses Sprichwort: „Der Erfolg der Gegenwart ist das Schlimmste, was einem für die Zukunft passieren kann.“ Das erinnert mich an ein Gespräch mit einem Vorstand eines deutschen Maschinenbauers. Er sagte: Wir haben 10.000 Mitarbeiter und ich habe überhaupt keine Angst vor der Konkurrenz. Und dann sagte er: Ich habe Angst vor zwei Studenten in einer WG in Berlin, die die Regeln unserer Branche nicht kennen und diese brechen. Genau diese Regelbrecher brauchen wir!

Von Anja Nolte
Quelle: https://www.aachen.ihk.de/blueprint
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